Grammatik und Landeskunde

Grammatik lernen heißt immer auch Landeskunde lernen und kulturellen Hintergrund recherchieren. Oft erklärt Hintergrundwissen über das Land, die Kultur, die Religion und die Bräuche der Menschen vieles in der Grammatik der Sprache.

Hier stellen wir Ihnen zwei interessante Beispiele vor:

Ich, du, er, sie, es: Die Personalpronomen im Thailändischen

Nennen wir zuerst die Fakten:

Im Thailändischen gibt es …

… 25 Personalpronomen für die erste Person Singular – das macht also 25 Wörter, mit denen man ich sagen kann.
… 22 Personalpronomen für die zweite Person Singular – das sind also 22 unterschiedliche Wörtchen, um du zu sagen.
… 8 Personalpronomen für die dritte Person Singular – das sind überschaubare acht Arten, um ersie oder auch es zu sagen.

Diese Fülle von Personalpronomen ist rekordverdächtig. Das gibt es in keiner anderen Sprache der Welt. Diese Vielzahl von Personalpronomen lässt sich über den Hintergrund der thailändischen Kultur erklären:

In Thailand findet Kommunikation grundsätzlich auf verschiedenen Ebenen statt. Die Menschen sind sich sehr bewusst, in welcher Situation und auf welcher gesellschaftlichen Ebene sie sich mit jemandem unterhalten.

Dies rührt daher, dass die thailändische Gesellschaft ursprünglich stark hierarchisch gegliedert war. Auch wenn sich diese Trennung langsam löst und die Gesellschaftsordnung weniger starr und stattdessen weitaus flexibler wird, hat die alte Ordnung immer noch einen großen Einfluss auf das Denken und Sprechen der Menschen in Thailand.

Und so erklärt es sich, dass man im Thailändischen unterscheiden muss, in welcher gesellschaftlichen Position man sich selbst und die Person mit der man spricht befindet, um immer das korrekte Personalpronomen auszuwählen und den richtigen Ton zu treffen.

Gestern und morgen – ein interessantes Beispiel aus dem Hindi

Wenn Sie sich näher mit den Zeitgefüge und den Temporaladverbien im Hindi beschäftigen, stoßen Sie schnell auf eine interessante Tatsache: Die beiden Temporaladverbien „gestern“ und „morgen“ werden mit dem gleichen Wort übersetzt. Es heißt in beiden Fällen कल [kal].

Was bedeutet das? Für einen Deutschen gibt es einen ganz klaren Unterschied zwischen einem Gestern (das in der Vergangenheit liegt) und einem Morgen (das uns in der Zukunft erwartet). Ganz anders erfährt ein Hindi-Sprecher dieses Zeitgefüge. Er unterscheidet nicht zwischen dem Gestern, dem Heute und dem Morgen – er unterscheidet nur zwischen einem „Jetzt“ und einem „Nicht-Jetzt“.

Diese Unterscheidung hat ihren Ursprung in der indischen Kultur und der Religion des Hinduismus. Der Hinduismus ist die am weitesten verbreitete und aus diesem Grund am stärksten prägende Religion des Landes. Ein zentraler Teil der hinduistischen Lehre ist die Vorstellung eines ewigen Kreislaufes der Wiedergeburt. Wer stirbt, wird wiedergeboren.

Und so unterscheidet die Vorstellung im indischen Sprachverständnis nur zwischen einem Jetzt अभी [aabhii] und einem Nicht-Jetzt, dem कल [kal].

Wenn man diesen Hintergrund nicht kennt, versteht man auch die Bildung der Zeiten im Hindi bzw. das Verbsystem und seine Zeiten nicht.

Autorin des Artikels: Christine Tettenhammer


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